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Ein Blick nach China zeigt, was demnächst auch in Deutschland kommen wird: Produkte werden via Livestreaming verkauft, manche sprechen von der „virtuellen Tupperparty“. Das sind auch schon mal 15.000 verkaufte Lippenstifte in fünf Minuten. Mit den Shopping-Sendern im Fernsehen haben diese Formate wenig zu tun. In Deutschland sind Douglas und Tchibo die ersten Unternehmen, die mit Live-Shopping experimentieren. 

Wer erleben möchte, wohin sich dieser Trend bewegt, sollte einen Blick nach China werfen. Denn dort gibt es den Boom des Shoppings über Livestreaming schon seit längerem. Einen Anteil von 10 Prozent aller Onlineverkäufe kommen über diesen Kanal zustande. Laut dem Online-Portal Daoinsights, welches sich auf Daten des Handelsministeriums bezieht, gab es in der ersten Jahreshälfte 2020 über 10 Millionen Livestreams mit Live-Shopping. 400.000 aktive Livestreamer generierten mehr als 50 Milliarden Views an und konnten dabei 20 Millionen Produkte verkaufen. Dies entspricht einem Durchschnitt von 50.000 Livestreams pro Tag.

Verglichen mit solchen Dimensionen sind die Versuche von Deutschen Unternehmen noch in den Kinderschuhen.

Die Vorteile von Live-Shopping – direkter Kontakt und hohe Conversion

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Durch Live-Shopping entsteht eine neue Kundennähe, Produkte können ausführlich, und deutlich besser vorgestellt werden als nur in Bildern und Texten. Auf Fragen der Nutzer kann direkt eingegangen werden. Das eignet sich nicht nur bei komplexen Produkten. So können beispielsweise im Bereich Heimwerken sehr konkrete Anregungen in Form von Anleitungen gegeben werden, oder im Feld der Lebensmittel stehen nicht einzelne Produkte, sondern ganze Gerichte und Rezepte im Mittelpunkt. Bislang sind solche Formate auch bei Plattformen wie Instagram oder Facebook möglich, allerdings wollen sich immer mehr Unternehmen davon unabhängig machen. Denn die Marketingkosten sind dort relativ hoch.

So bietet auch Douglas das Live-Shooping auf der eigenen Seite an. „Die Verkäufe der im Live-Shopping vorgestellten Artikel vervielfachen sich während der Sendezeit und wir können hier eine Conversion Rate von bis zu 40 Prozent erzielen“, so eine Unternehmens-Sprecherin gegenüber Business Insider.

Tchibo bietet Live-Shopping an

Tchibo Livestream Setting

Tchibo Live. Foto: tchibo/pr

Mit „Tchibo Live“ startet das Hamburger Handelsunternehmen 2021 eine neue Form des digitalen Einkaufens. Damit ist Tchibo, neben Douglas, eines der ersten deutschen Unternehmen, das den Trend aus Asien aufgreift. Das Format „Tchibo Live“ ist mit drei Pilotfolgen gestartet. Gedreht wird im Hochformat, die Zuschauerinnen und Zuschauer können auf tchibo.de ohne Registrierung den Livestream anschauen, direkt kommentieren oder Fragen stellen. Die Moderatorinnen und Moderatoren gehen live darauf ein.

„Live-Shopping ist ein neuer Trend aus Asien, der auch in Deutschland immer relevanter wird“, sagt Ana-Marija Somin, Project Lead Tchibo Live. „Es ist sehr spannend, als Vorreiter das Thema Live-Shopping im deutschen E-Commerce zu etablieren.“

Anders als bei klassischen Verkaufssendern präsentieren hier keine Leinwandprofis oder Influencer die Produkte, bei Tchibo stehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst vor der Kamera. Wer etwas kaufen möchte, klickt einfach auf einen Button seines Handydisplays oder Tablets. Dann landet das Produkt im Tchibo Warenkorb, ohne dass der Nutzer den Livestream verlassen muss.

Sebastian Peuser, Director Online Vertrieb Tchibo, betont: „Tchibo Live ermöglicht uns auch in Zeiten von Corona, mit unseren Kund*innen in engem Austausch zu bleiben. Auf die ersten Shows haben wir sehr positive Resonanz und ausführliches Feedback bekommen. Es freut uns, dass sich die Interaktion nicht nur auf die Sendung beschränkt, sondern uns die Kund*innen darüber hinaus dabei unterstützen, das Format weiterzuentwickeln.“

Die Entwicklung in China

Der enorme Live-Shopping-Boom in China treibt derweilen skurrile Blüten. So wurde in einer Provinz das „Village Livestreaming College“ gegründet. Laut der staatliche Nachrichteneagentur Xinhua haben dort bereits mehr als 1.000 Dorfbewohner Livestreaming gelernt. Sie halten selbstgemachte Nudeln in die Kamera oder Reden ohne Punkt und Komma. Gegründet hat der chinesische E-Commerce-Riese Alibaba das College in der Gemeinde Wantian.

Und Alibaba verfolgt damit einen Plan. Der Konzern möchte Onlineshopping in die ländlichen Regionen bringen. Dafür braucht er keine Influencer, sondern normale Menschen, die über Produkte sprechen und diese verkaufen. Dafür soll sie die Schule ausbilden.

Wie die OMR in einem Artikel zusammengestellt haben, ist der Markt in China nicht nur sehr groß (Experten gehen davon aus, dass sich der über Live-Shopping generierte Umsatz bis Ende des Jahres 2020 auf 1,05 Billionen Renminbi, umgerechnet 134 Milliarden Euro gesteigert hat), sondern auch kurz davor, zu überhitzen.

„Livestreaming ist kein neues Phänomen in China. Die Mischung aus Teleshopping und Tupperparty dient vielen Chinesen als abendliche Entspannung. In mehrstündigen Sendungen präsentieren KOL (Key Opinion Leader, das chinesische Pendant des Influencers) ihren Followern alle möglichen Produkte, immer mit dem Versprechen, dass diese nirgendwo günstiger zu bekommen sind. Doch im laufenden Pandemie-Jahr hat das Ganze ein völlig neues Niveau erreicht“, so der Autor Christian Cohrs.